1. Einleitung Komplexierungsreaktionen von Metallionen mit kleinen ein- und zweizähnigen Liganden sind gut verstanden[1,2]. Sie erfolgen nach dem bekannten zweistufigen Eigen-Mechanismus[3]. Bei diesem erfolgt im ersten Schritt die Bildung eines outer-sphere-Komplexes durch Eintritt des Liganden in die äußere Hydrathülle des Metallions. Da dabei noch keine direkte Bindung zum Metallzentrum ausgebildet wird, beruht die Stabilität des outer-sphere-Komplexes hauptsächlich auf der elektrostatischen Wechselwirkung, wie sie durch Fuoss[4] beschrieben wird. Im zweiten, geschwindigkeitsbestimmenden, Schritt erfolgt der Austausch eines Wassermoleküls aus der inneren Hydrathülle des Metallions. Die Geschwindigkeit dieses Schrittes ist zumeist charakteristisch für das Metallion, so dass die Reaktionsgeschwindigkeit von Komplexierungsreaktionen häufig nur wenig von der Natur des Liganden abhängt. Liganden mit zwei Koordinationsstellen können mit Metallionen Chelatkomplexe bilden. Da dabei mehrere Bindungen zum Metallzentrum ausgebildet werden, erfolgt die Reaktion schrittweise, wobei entweder die Bildung der ersten Bindung oder der Ringschluss geschwindigkeitsbestimmend sein kann. Die Reaktionen von Metallionen mit mehrzähnigen Liganden sind dagegen weniger untersucht. Besonderes Interesse kommt ihnen zu, da diese Verbindungen als Modellsubstanzen für die Reaktion von Metallionen mit natürlichen Polyelektrolyten dienen können. Bei der in dieser Arbeit untersuchten Komplexierungsreaktion von Nickel mit dem dreizähnigen Liganden Histidin zeigt sich, dass das von Jordan und Letter[5] angenommene Reaktionsschema für die Bildung des 1:1-Komplexes nur in einem eingeschränkten pH-Bereich gültig ist. L-Histidin, 2-Amino-3-(4-imidazolyl)-propionsäure, ist eine semiessentielle, am Aufbau von Eiweißstoffen beteiligte Aminosäure[6]. Es kann im menschlichen Körper zwar aufgebaut werden, muss ihm aber in Wachstumsphasen und bei Mangelerscheinungen zugeführt werden. Beim Fehlen von Histidin beobachtet man unter anderem Blutarmut aufgrund einer gestörten Globinsynthese und Carnosinabnahme in der Muskulatur. Die Struktur von L-Histidin zeigt Abbildung 1.1. Abbildung 1.1: Struktur von L-Histidin. Der Imidazolring in der Seitenkette kann noch an einem Stickstoffatom protoniert werden, er besitzt einen pKa-Wert von etwa 6, so dass Histidin im physiologischen pH-Bereich als Protonenakzeptor geeignet und deshalb besonders häufig Bestandteil des aktiven Zentrums von Enzymen ist. Aufgrund der Donoreigenschaften der heterocyclischen Seitenkette fungiert es zudem als Ligand für Übergangsmetallionen in biologischen Systemen[7], so beruht im Hämoglobin die Bindung der prosthetischen Gruppe an das Protein unter anderem auf der Koordination des Fe(II)-Zentrums durch Histidin. Die zusätzliche Koordinationsstelle des Histidins führt zu einer deutlich erhöhten Stabilität der mit Metallionen gebildeten Komplexe im Vergleich zu den Komplexen anderer zumeist zweizähniger Aminosäuren. Nickel ist in der Natur weit verbreitet[8]. Hohe Nickelkonzentrationen in Böden können dabei zum einen natürlichen Ursprungs sein, so enthalten Serpentingesteine häufig hohe Konzentrationen an Nickel oder anderen Schwermetallen, zum anderen aber auch Folge industrieller Verunreinigungen. Für den Menschen, sowie bestimmte Tiere und Pflanzen ist Nickel ein essentielles Spurenelement. In hohen Konzentrationen wirken Nickelionen dagegen toxisch. Einige Landpflanzen, sogenannte Hyperakkumulatoren, sind in der Lage auf Böden mit hohen Konzentrationen an Schwermetallen wie Nickel, aber auch Zink, Kobalt oder Kupfer zu wachsen. Dabei wird gleichzeitig eine Anreicherung der Metallionen in den oberen Pflanzenteilen beobachtet. Bei hyperakkumulierenden Arten der Gattung Allyssum (Steinkraut) ist nun beobachtet worden, dass eine Erhöhung der Nickelkonzentration in der Kulturlösung zu einem starken und proportionalen Anstieg der Konzentration an freiem Histidin im Xylemsaft führt[9]. Aus diesem Grund wird vermutet, dass Histidin eine wichtige Rolle bei dem Phänomen der Hyperakkumulation von Nickelionen spielen könnte. Nickelionen liegen in wässriger Lösung oktaedrisch koordiniert vor. Mit dem dreizähnigen Liganden Histidin kann sich somit ein 1:1- und ein 1:2-Komplex bilden. In dieser Arbeit werden sowohl das Gleichgewicht als auch die Kinetik der Bildung beider Komplexe untersucht. Die Untersuchung des Gleichgewichtes erfolgt potentiometrisch, photometrisch und durch Ankoppelung eines Metallindikatorgleichgewichtes, so dass die Zuverlässigkeit der verschiedenen gebräuchlichen Methoden überprüft werden kann. Da die Komplexierungsreaktionen von Nickelionen relativ langsam erfolgen, kann die Untersuchung der Kinetik der Reaktion gut mit der stopped-flow-Methode und der Drucksprungrelaxationstechnik untersucht werden.